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"Blutendes Auge"

Das Bild scheint in seiner Einfachheit leicht zu erfassen und doch kann auch hier ein genauer Blick lohnen. Vom Eindruck her dominiert zunächst eine plakative Direktheit in der Art und Weise, wie die Elemente des Bildes in Erscheinung treten.
Der Blick wird zunächst sehr nahe herangeführt an die Horizontlinie, welche knapp unter der Mittellinie das Bild durchquert. Unterhalb befindet sich ein unregelmäßiges schwarzes Gitter, welches die Konturen für tiefrote Farbfelder abgibt. Oberhalb der Horizontlinie erstreckt sich eine intensiv hellblaue Fläche mit weißen Aufhellungen. Darin prangt ein mandelförmliches Auge mit schwarzen Wimpern. Das Augeninnere leuchtet gelb und statt einer Iris befindet sich im Zentrum eine Punktförmige schwarze Öffnung, aus der es Rot heraus tropft, sich am unteren Lidrand sammelnd, weiter hinabrinnt und tropft und sich nach unten durch das Blau ergießt, um sich endlich mit dem Rot der mauerartigen Gitterflächen zu vereinigen. Durch den roten Farbfluss kommt in die vollkommen statisch-plakative Bildfläche etwas lebendig-dynamisches, was sich gewissermaßen aus einem jenseitigen Reservoir gespeist durch den schwarzen Punkt hindurch ins Diesseits des Bildes zu ergießen scheint.
Das Bild vereinigt verschiedene Metaphern. Die Metapher der Mauer und die des göttlichen Auges, was das Gefühl der Spannung zwischen Diesseits und Jenseits auf eine ziemlich direkte Weise wiedergibt, wobei das sozusagen blutende Auge wiederum eine ganz eigentümliche Metapher darstellt, bei der Schmerz und Verletzung als verbindendes Medium erscheint und hier im Bild das aus dem jenseitigen Reservoir quellende Blut im Rot des Maurergitters zu gerinnen scheint.
Wie auch immer sich eine weitere Befragung des Bildes entwickeln würde, mich rührt daran vor allem der Gegensatz, der sich zu der tiefen Sprachlosigkeit des Malers auftut, den ich nur kurz in seiner Krise begleiten konnte, aus der er sich zwar zunächst noch befreien vermochte, ehe er aber kurze Zeit später doch ums Leben kam.

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