Den Bildraum füllt eine farbige Scheibe, die von kühlen Blautönen umgeben, innerhalb der kreisförmigen Fläche überwiegend wärmere
Farbtöne aufweist, wobei die Kreisform sich durch eine dunkelblaue Kontur vom Hintergrund abhebt und sich drei weitere Kreislinien innerhalb der Form
konzentrisch wiederholen. Eine Nebel artige, unförmige weiße Farbfläche durchbricht die konzentrische Anordnung und schafft für eine zeichenhaft-figurative
Darstellung der Gefängnissituation Raum.
Im oberen Bereich dieser Darstellung befindet sich ein schwarzes Gitter, in dessen Flächen sich die Grundfarben
des Bildes wiederfinden, darunter eine gekauert und mit verschränkten Armen und weit geöffneten Augen unter einem schwarzen Haarschopf dasitzende Figur, die
den Betrachter anzustarren scheinen. Der sie umgebenden Schriftzug, welcher links von ihr "bereit manschmal" und rechts von hier
"Schlescht" in anschwellenden Lettern lautet bezieht sich wahrscheinlich auf dieses Bild-ego. Darunter wiederum erblickt der Betrachter eine
ganze Häftlingszelle, in der es sich wiederfindet und auch von dort, auf der Pritsche sitzend, den Betrachter diesmal aus größerer Ferne anzustarren scheint.
Um sie herum, Wand, Tür, Stuhl, Tisch, Klo als Attribute einer Häftlingszelle, wobei man die Szene von oben wahrnimmt, was einen Überblick über die trübsinnige
Situation, wie durch eine Überwachungskamera bietet.
Den äußeren Rand der Kreisform dominieren weiß aufgesetzte, arabische Schriftzüge, welche die
Aussage des Bildes kulturell kodieren, wobei eine Trennung möglicher Betrachter intendiert zu sein scheint in solche, die zur Entschlüsselung der Aussage fähig
sind und andere.
Der Maler des Bildes, zum Schaffenszeitpunkt 24 Jahre alt, ist algerischer Abstammung. Durch sein Flüchtlingsschicksal entwurzelt,
kämpfte er in Haft intensiv um seine psychische Integrität, die er immer wieder und buchstäblich nur mit letzter Kraft zurückgewinnen vermochte, wobei
ihm vor allem sein impulsives Ausdrucksvermögen half, seine primäre Sprachlosigkeit zu durchbrechen. Mir selber bleibt aus solchen Prozessen zumeist ein
hilfloses Gefühl im Anbetracht des Schicksals von Verlorenheit und im Anbetracht der Verletztheit und Verletzlichkeit eines Menschen.
Das Bild ist
meines Erachtens ein gutes Beispiel dafür, wie bildnerische Tätigkeit sich als eine Art "Ausstellung der inneren Befindlichkeit" auffassen lässt.
Indem eine solche praktiziert wird, findet beim Übenden notwendigerweise eine Kommunikation mit sich selber statt, welche Veränderung begünstigt. Veränderung
verstehe ich somit eingebettet in einen aktiven Prozess, indem die Personen für sich etwas ändert und nicht, indem sie durch Umstände verändert wird.
Im
Verlauf des Übungsprozesses entstehen Bilder, die Botschaften der Personen über sich selbst beziehungsweise über bestimmte Betonungen und Färbungen ihres
Erlebens enthalten. Ein Bild verstehe ich dabei grundsätzlich als Ausdruck für einen bestimmten Bereich des geistigen Lebens seines Malers.
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